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Politischer Aschermittwoch 2024 – zwischen Angst, Aggression und Realität

Politischer Aschermittwoch 2024 – vor dem Hintergrund einer desaströsen politischen Gesamtlage wollte sich die gewohnte Heiterkeit in den Bierzelten nicht einstellen. Zudem gab es am Rande auch Krawall. Ein Stimmungsbild.

Ja, früher war die Heiterkeit heiterer!

Dasselbe Ritual, aber alles irgendwie anders

Der politische Aschermittwoch ist der traditionelle Termin, um am Ende der Karnevalszeit mit mächtigen Worten – mehr oder weniger geistreich – mit dem politischen Gegner abzurechnen. Da kann es zur Gaudi der Festzeltbesucher auch mal unter die Gürtellinie gehen und die rote Linie der political correctness liegt tiefer als sonst. Irgendwie wollte in diesem Jahr die richtige Stimmung nicht entstehen. Im Grunde sollte uns das nicht wirklich beschäftigen, ist ja eh nur Klamauk. Und dennoch, ein genauerer Blick auf die Umstände zeigt, dass die politische Gegenwart im Großen wie im Kleinen nicht wirklich für ausgelassene Politrhetorik taugt.

Schon vor der Veranstaltung hört der Spaß auf

Das Demonstrationsrecht ist ein zu Recht von der Verfassung geschütztes Gut. Was sich bei der Veranstaltung der GRÜNEN in Biberach abspielte hatte damit aber nichts zu tun. Rechtsradikale Bauern, oder als Bauern getarnte Rechtsradikale, randalierten, fackelten einen Misthaufen ab und zerschlugen mit Steinen die Fahrzeugfenster des Autos, in dem Cem Özdemir vorfuhr. Polizisten kamen zu Schaden. Schließlich sagte die Polizei die Veranstaltung noch vor Beginn ab, um Schlimmeres zu verhindern. Wollten die Demonstranten reden? Nein! Sie wollten zerstören und bedrohen. Das ist eine üble Form des Missbrauchs des Demonstrationsrechts und muss scharf geahndet werden. Diesen sogenannten Demonstranten geht es nicht um Meinungsäußerung, sondern um die Abschaffung unserer demokratischen Grundordnung.

An einem anderen Ort wurde die Co-Parteivorsitzende der GRÜNEN, Ricarda Lang, in eine Art Verfolgungsjagd getrieben. Man muss weder Ricarda Lang noch ihre politischen Ansichten mögen, aber es ist unsäglich, eine demokratisch gewählte Volksvertreterin in übelster Weise persönlich zu beleidigen und als Mob zu verfolgen. Auch dort musste die Polizei einschreiten, um Frau Lang in Sicherheit zu bringen. Geht es hier also um Politik? Nein! Es geht um Gewalt gegen Menschen des öffentlichen Lebens.

In den Festzelten

Die Stimmung war allenthalben bedrückt, die Redner klangen bemüht heiter und selbst der übliche Alkohol vermochte nicht das Klima anzuheizen. Aber wen wundert es? Vor dem Hintergrund der politischen Wirklichkeit, in der wir uns national wie international befinden, ließe sich zwar viel über den politischen Gegner sagen, aber eben nicht mit Volksfeststimmung. Dafür sind die realen Probleme und Gefahren zu groß.

Die Wirtschaft ist rückläufig. Wir haben die höchsten Strompreise und die höchsten Steuern, Die Energiewende funktioniert nicht. Facharbeiter fehlen an allen Ecken, kaum etwas geht voran. Von technologischer Transformation ist kaum etwas zu spüren, ebenso wie von der Digitalisierung des öffentlichen Raums. Für die Sanierung der Infrastruktur fehlen entweder das Geld oder die Fachkräfte.

In der Ukraine herrscht immer noch Krieg. Geht die Ukraine ohne unsere Hilfe unter bedeutet das den Freibrief für Wladimir Putin, militärisch nationale Grenzen neu zu definieren. Gar nicht auszudenken was es für uns bedeuten würde, wenn die Bürger einer gefallenen Ukraine zu Millionen zu uns ins Land kämen.

Im Nahen Osten tobt immer noch der Kampf der Israeli gegen die Hamas, die ihre eigene Bevölkerung in Geiselhaft genommen hat, um Israel zu stoppen. Das wird nicht passieren und so droht ein kriegerischer Flächenbrand, der auch uns betreffen könnte.

Ein möglicher wiedergewählter amerikanischen Präsident Trump gibt Europa zum Abschuss frei. Die meisten NATO-Mitglieder leisten nach Ansicht Trumps zu wenig eigene militärische Hilfe. Da ist ja durchaus was dran, aber dennoch geht die Rechnung nicht wirklich auf. Die immensen finanziellen Vorteile, die die amerikanische Wirtschaft durch ihre meist nicht bei uns versteuerten Aktivitäten in Europa hat, wiegt alle finanziellen Vorwurfe gegen Europa auf. Das ist das gesamte Bild. Die reale Gefahr, die in Trumps geplantem Rückzug aus der NATO liegt, besteht im Verlust des atomaren Schutzschildes, den die USA uns über die gesamte Zeit des Kalten Krieges boten. Fällt der weg, wird Putin nicht zögern, die Nato anzugreifen. Allein die Bundesrepublik würde ca. 300 Milliarden€ und 10 Jahre Produktionszeit brauchen, um wieder angemessen verteidigungsfähig zu werden.

Vor diesem Hintergrund fallen launige Bierzeltreden und populistische Schuldzuweisungen schwer, ähnelt das Szenario doch weniger einem Volksfest als einem Gruselkabinett der harten Fakten. Nun aber ist Fastenzeit, eine gute Gelegenheit für ernsthafte Überlegungen.