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Politik ohne Reformwille

Politik ohne Reformwille. Da war doch was! Eine neue Regierung trat vor 100 Tagen an und zumindest der (Senior-)Partner CDU tat das mit der vollmundigen Ansage, der Wirtschaft wieder neuen Schwung zu geben durch Investition und Reformen. Alles sollte ohne Ausnahme auf den Prüfstand. Vor allen war die Ausgabenkontrolle das Hauptziel. Aber es scheint sich nichts zu bewegen.

Stattdessen erfährt die Öffentlichkeit von immer größer werdenden Löchern im Bundeshaushalt. Und vom Reformwillen in der Migrationspolitik, dem Bürgergeld, dem Haushalt für Soziales und vor allem der Rente ist es zu nichts weiter gekommen, als zu Absichtserklärungen. Versäumt die Politik das Handeln?

Die Fahne weht – aber der Reform-Wind ist nur ein Lüftchen

Das ist zu wenig

Die Bilanz der Regierung nach 100 Tagen ist enttäuschend. Tatsächlich sind die Zahlen von Asylanträgen rückläufig. Dies ist aber nicht das Ergebnis der für viel Geld eingeführten Grenzkontrollen, sondern eine Tendenz, die in allen europäischen Staaten zu erkennen ist. Die Zurückweisungen an den Grenzen selbst haben nur geringe Auswirkung. Das sagt aber niemand deutlich. Auch die Anzahl von Abschiebungen von Straftätern mit Duldungsstatus ist nicht höher als unter der Ampelkoalition. Als Grundlage umfangreicherer Rückführungen sollten entsprechende Aufnahme-Vereinbarungen mit Herkunftsländern dienen. Von Verhandlungen mit Herkunftsländern ist aber nichts zu hören. Alles scheint beim Alten.

Sondervermögen

Zur Ermächtigung der Schuldenaufnahme eines Sondervermögens in Höhe von 800 Milliarden wurde die Machtverteilung des alten, bereits abgewählten Bundestags benötigt, um die geforderte 2/3 Mehrheit der Stimmen zu ermöglichen. Diese Summe steht ausschließlich für Investitionen in Infrastruktur und militärischer Nachrüstung der Bundeswehr zur Verfügung und hat mit dem regulären Bundeshaushalt nichts zu tun. Aber eine reine „Ermächtigung“ löst in der Wirtschaft ja noch keinen Prozess aus. Das Geld müsste erst in Form eines Kredits aufgenommen und dann investiert werden. Aber auch dazu gibt es keine weiteren konkreten Aussagen. Gut, wollen wir mal nicht zu kritisch sein. Die strukturelle Runderneuerung der Bundesrepublik ist kein 100-Tagewerk. Wenn aber nach 100 Tagen nichts weiter existiert als pauschale Zukunftsaussagen, dann ist das nicht einmal die Grundlage berechtigter Hoffnungen.

Das tatsächliche Bild lässt aber nichts Gutes erwarten, denn selbst da, wo sofort hätte gehandelt werden können, also bei der versprochenen Reduzierung der Stromsteuer für alle, macht die Regierung jetzt eine Rolle rückwärts. Sie gewährt dem bayerischen Ministerpräsidenten stattdessen eine wahltaktisch opportune „Mütterrente“, teuer, aber nicht sinnvoll.

Der tatsächliche Skandal

Der Wirtschaftsmotor stockt, die Energiepreise sind viel zu hoch, Fachkräfte werden gesucht, während die Arbeitslosenzahlen gering qualifizierter Arbeitnehmer ständig steigen. Die Haushaltslöcher werden immer größer, weil immer weniger Menschen Beiträge in die Sozialsysteme einzahlen, die Ausgaben aber ständig steigen und der Bund die fehlenden Einnahmen der Sozialkassen ausgleichen muss. Das ist alles nicht neu. Und das gilt für die Rentenversicherung ebenso wie für die Kranken- und Pflegekassen – auch das Bürgergeld wollen wir nicht vergessen.

Die Sozialsysteme

Kein verantwortungsvoller Politiker könnte heute noch behaupten, diese Sozialsysteme seien gesund, funktionell und zukunftsfähig. Fragt die Hauptstadtpresse nach, wird auf zukünftige Expertenkommissionen verwiesen, die werden es schon richten. Diese Antworten machen ungeduldig und nervös, weil schon seit gut 30 Jahren solche Arbeitsgruppen nichts Tragfähiges zustande brachten. Stattdessen haben sich die Politiker vergangener Tage immer wieder mit viel Geld, dass in die defizitären Systeme gepumpt wurde, Zeit erkauft, die nie zur Erarbeitung tragfähiger Reformen geführt haben. Und wenn die fünf Wirtschaftsweisen einschneidende Veränderungen einfordern, heulen die Bewahrer des Alten laut auf und warnen vor sozialer Kälte. So kann es nicht verwundern, dass die erst vor ein paar Tagen eingebrachte Rentenreform von Arbeitsministerin Bärbel Bas erst einmal das „Weiter-So“ beschlossen hat, zumindest vorerst bis zum Jahr 2031.

Wer öffentlich denkt, hat schon verloren

Die Wirtschaftsministerin Katharina Reiche wurde für den Vorschlag, das reguläre Renteneintrittsalter dem demografischen Faktor anzupassen, fasst zerrissen, sogar von der eigenen Fraktion. Da natürlich nicht jeder in der Lage oder willens ist, länger zu arbeiten, würde das zu einem flexiblen Renteneintritt führen bei dauerhaft höheren Abschlägen bei der Rentenhöhe. So gilt es ja schon heute beim regulären Renteneintritt mit 67 Jahren, wenn die Rente schon früher bezogen wird. Und das ist kein schlechtes Modell, denn es berücksichtigt, dass die Rentner heutzutage viel länger Renten beziehen als noch vor 30 Jahren. Interessanterweise waren es zwei Sozialdemokraten, Gerhard Schröder und Franz Müntefering, die diese Reform einbrachten. Das war klug! Heutige Sozialdemokraten können sich an soviel Realitätsnähe nicht mehr erinnern, oder haben die Schmerzen darüber einfach verdrängt. Immer mehr verteilen und es nicht zuvor verdienen, führt ins Chaos. Wir sind kurz davor.

Schlussbemerkung

Eine Schlussbemerkung: die gegenwärtige Regierung sollte sich ihrer immens großen Verantwortung dadurch bewusst sein, dass sie den Mut zur Wahrheit besitzt. Nur so kann man dem populistischen Geschwätz von ganz Rechts sachlich entgegentreten. Ja, Bürgergeld und Ausgaben für Migration gehören auf den Prüfstand, aber es sind nicht diese Ausgaben, die unsere Rente gefährden! Selbst wenn man einen großen Teil dieser Ausgaben in die Sicherung der Rente zahlte, wäre das nur die kurzzeitige Fütterung eines kranken Systems. Es bedarf der generellen Revision und Neuaufstellung. Dazu leistet ganz Rechts keinen Beitrag.

Liebe Mitbürger, ja, wir müssen viel Geduld haben, denn die Probleme sind riesengroß. Aber wir dürfen und müssen die erkennbare Lösung von Problemen einfordern. Das wird in vielen Bereichen auch Opfer von uns verlangen. Wer aber immer noch der Meinung ist, er könne weiterhin mehr fordern und nur in der Erfüllung bestünde erfolgreiche Politik, der hat den Blick auf die Realität verloren! Das Ende des blinden, individuellen Egoismus ist erreicht.