Konjunktur und Märkte – ein Beitrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft
Der GDV hat einen Artikel veröffentlicht, den wir für so wichtig halten, dass wir ihn hier – mit freundlicher Erlaubnis – im Original wiedergeben. Es geht um die Frage, welche Wirkung der politische Populismus auf die Wirtschaft hat.
Ist Populismus ein Wirtschaftsfaktor?
2024 können weltweit mehr Menschen als je zuvor an Wahlen teilnehmen – insgesamt 3,6 Milliarden. In Deutschland stehen Europa- und Landtagswahlen an, bei denen Umfragen zufolge populistische Parteien zweit- oder sogar stärkste Kraft werden könnten. Doch was für Folgen haben populistische Regierungen für die Wirtschaft, das gesellschaftliche Klima und demokratische Institutionen?
Als populistisch werden in der Politikwissenschaft Politiker oder Parteien bezeichnet, die ihre Politik rhetorisch auf den Kampf des „echten Volkes“ gegen „korrupte Eliten“ basieren. Diese Definition schließt also rechts- und linkpopulistische Parteien mit ein. Untersuchungen zeigen, dass populistische Parteien vor allem dann Zulauf erfahren, wenn auf Grund ökonomischer Schocks oder struktureller Umbrüche die Verunsicherung in der Bevölkerung groß ist. Dies ist in Deutschland derzeit sehr gut zu beobachten, da die derzeitige wirtschaftliche Unsicherheit infolge von geopolitischen Entwicklungen und der Energiekriese mit hohen Umfragewerten zum Beispiel für die Alternative für Deutschland (AfD) oder dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) korreliert.
Populistische Regierungen schwächen die Wirtschaft
Zu diesem Ergebnis kommen die Ökonomen Manuel Funke, Moritz Schularick und Christoph Trebesch (2023) in ihrer zuletzt veröffentlichten Studie. Sie untersuchten die wirtschaftliche Entwicklung von 51 populistisch geführten Staaten über 15 Jahre nach Regierungsantritt und verglichen sie mit einem kontrafaktischen Szenario, in dem keine Populisten an der Macht waren. Die analysierten Volkswirtschaften zeigen nach 15 Jahren im Vergleich ein etwa 10 Prozent niedrigeres Bruttoinlandsprodukt sowie deutlich geringere internationale wirtschaftliche Integration, gemessen an höheren Importzöllen und niedrigeren grenzüberschreitenden Handels- und Finanztransaktionen.
Populistische Regierungen schädigen demokratische Institutionen
Funke et al. (2023) verknüpfen wirtschaftliche Rückschritte unter populistischen Regierungen mit dem Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Unabhängigkeit der Justiz, die Fairness und Freiheit von Wahlen sowie die Medienfreiheit sinken deutlich. Daneben geht ein deutlicher Anstieg von Personalwechseln unter Spitzenbeamten einher, wobei die Qualität der Nachbesetzungen signifikant abfällt.
Populisten könnten bedeutenden Einfluss auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung haben
So berichten bereits heute 50 Prozent der in einer WZB-Studie befragten Wirtschaftsvertreter von Problemen, Fachkräfte aus dem Ausland für Regionen, in den die AfD überproportional stark ist, zu rekrutieren. Darüber hinaus hat eine Studie des IW in Köln ergeben, das eine Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident zu einem jährlichen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,3 bis 1,4 Prozent führen könnte. Klar ist aber auch, dass zahlreiche Faktoren über die Entscheidungsspielräume und Folgen rechts- oder linkspopulistischer Regierungen mitbestimmen. Je nach gewachsenen Strukturen und konkreten Gegebenheiten in einem Land können die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft mehr oder weniger negativ ausfallen, als die pauschalen Erfahrungswerte der Vergangenheit nahelegen. Deutschland dürfte hier von seiner engen Einbindung in supranationale Zusammenhänge, gewachsenen leistungsfähigen Institutionen und einer lebhaften Zivilgesellschaft profitieren.