Staatsschulden oder schwarze Null – Alternative oder Illusion
Staatsschulden oder schwarze Null? Befragen wir die viel zitierte „schwäbische Hausfrau“, was wäre die Antwort: „Man kann nur ausgeben, was man auch eingenommen hat“. Aber gilt das auch für den Staat? Sind „Schulden“ immer gleich „Schulden“? Wir sollten uns das mal genauer anschauen.
Schuldenbremse, Konsumption, Investition
Im Jahr 2009 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Begrenzung der Neuaufnahme von Schulden für den Staatshaushalt beschlossen und das Gesetz wurde durch den Bundestag und den Bundesrat mit der notwendigen Mehrheit von 2/3 der Stimmen bestätigt. Macht einerseits Sinn, da seither keine Regierung über die „Verhältnisse“ Ausgaben durch Schulden tätigen kann. Andererseits gibt die Schuldenbremse einen gesetzlich legitimierten Umfang an Neuverschuldung vor. Das schützt den Staat unabhängig von der jeweiligen amtsführenden Regierung. Nun hat der Staat sehr unterschiedliche finanzielle Verpflichtungen. Zum einen muss er investieren, um Infrastruktur und Wirtschaft zu erhalten und auszubauen, andererseits hat der (Sozial-)Staat hohe Kosten im Rahmen der materiellen Vorsorge für die Bevölkerung zu leisten. Für beides nimmt er zum Teil Schulden auf. Dennoch sind die beiden Gründe für Verschuldung unterschiedlich zu bewerten.
Wohlstand und langfristige Sicherung
Ausgaben des Staates im konsumptiven Bereich stabilisieren vor allem den „Wohlstand“ der Bevölkerung im Bereich der sozialen Sicherung. Das ermöglicht Teilhabe aller an Wirtschaft und Gesellschaft und sorgt für eine relative, gefühlte Gerechtigkeit aller Beteiligten. Der Bedarf ist aber meist größer als die Mittel. Für diesen Zweck aufgenommene Schulden dienen also nicht der „Investition“, sondern werden „verzehrt“. Denken wir an die ehemalige Schuldenpolitik Griechenlands und die daraus entstandene Finanzkrise, dann wird deutlich, was es bedeutet, eine ganze Bevölkerung mit geliehenen Geldern zu alimentieren. Ein ganzes Land lebte nicht von dem, was es erwirtschaftete, sondern von dem, was es sich lieh. Diese Praxis führt zwangsläufig in die Katastrophe, denn „verfrühstücktes“ Geld ist schlicht weg und kann keinen Ertrag mehr produzieren. Wovon dann also die Schulden zurückzahlen? Investitionen in substanzielle Werte wie Straßen, Schienen, Brücken und Schulen sichern langfristig die wirtschaftliche Aktivität des Staates. Der Schuldenaufnahme steht dabei ein entsprechender Substanzwert gegenüber und die wirtschaftliche Aktivität generiert Steuereinnahmen, die zur Tilgung des Kredits dienen.
Transformation der Wirtschaft, Erneuerung der Infrastruktur
Die gegenwärtige Diskussion um die Schuldenbremse führt unweigerlich zu der Frage, wie der Staat die notwendige Transformation der Wirtschaft zu CO2-neutraler Produktion und die lange schon überfällige Erneuerung der deutschen Infrastruktur bewältigen soll. Aus regulären Haushaltsmitteln wird das nicht zu stemmen sein. Blicken wir einmal vergleichend auf Europa und die Weltwirtschaft. Die Bundesrepublik ist das Land in der EU mit der geringsten Verschuldung. Das ist gut so, aber wir hinken bezüglich des Wirtschaftswachstum weit hinterher. Das liegt u.a. auch an unserer maroden Infrastruktur. Da müsste dringend etwas getan werden. Der Blick über den Atlantik zeigt uns ein weiteres Problem auf. Amerika unterstützt die heimische Industrie mit unglaublichen Summen beim Umbau der Produktion auf CO2-Neutralität, sowohl mit Subventionen im Bereich Investition wie auch mit günstigen Energiepreisen und großen Steuerentlastungen. Hinzu kommt, das internationale Investoren sich mittlerweile an der ökologisch fortschrittlichen Produktion ausrichten. Wenn die Bundesrepublik diesen Weg nicht auch beschreitet, sieht es langfristig für den Wirtschaftsstandort Deutschland übel aus. Viele deutsche Unternehmen orientieren sich in ihrer Investitionsentscheidung bereits Richtung Amerika. Ohne staatliche Beteiligung an strukturellen Investitionen werden keine privaten Gelder mobilisiert, um in Deutschland zu investieren. Ist die Schuldenbremse vor diesem Hintergrund wirklich eine gute Sache? Ja und nein! Schulden zum Erhalt des „Verteilungs-Wohlstands“ sind unbedingt zu vermeiden. Schulden zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland scheinen dagegen unvermeidlich, aber sinnvoll. Sie sichern unsere Existenz in der Zukunft und sie rentieren sich. Dafür sollte eine politische Mehrheit in Bund und Ländern zu finden sein, überparteilich und unideologisch.